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Hartz IV – Reform: Darlehen soll bedarfsminderndes Einkommen sein

Im Zusammenhang mit der gegenwärtig diskutierten Hartz IV – Reform ist neben einigen anderen gewichtigen Aspekten bisher in der Öffentlichkeit kaum beachtet worden, dass in Zukunft Darlehen als Einkommen zu berücksichtigen sein sollen, die den aktuellen Bedarf der Hilfebedürftigen senken.

Der zukünftige § 11 Abs. 1 Satz 2 SGB II soll nach dem vom Bundestag bereits verabschiedeten Gesetz wie folgt lauten: “Zuflüsse aus Darlehen sind Einnahmen.” Lediglich im neugeordneten § 11 b Abs. 2 SGB II ist geregelt, dass Tilgung und Zinsen auf Darlehen dann vom Einkommen abzusetzen sind, wenn sie im Bewilligungszeitraum konkret erbracht werden.

Dieser Vorstoß der schwarz-gelben Bundesregierung ist ein weiteres gravierendes Indiz für einen erheblichen Sozialabbau. Nach meiner Kenntnis sind diese geplanten Änderungen nicht Gegenstand der Verhandlungen im Vermittlungsausschuss, so dass offensichtlich auch die Teilnehmer der SPD und der Grünen an den Verhandlungen diese Politik unterstützen.

Besonderes beachtlich in diesem Zusammenhang ist, dass das Bundessozialgericht (BSG) erst kürzlich, nämlich mit Urteil vom 17.06.2010 zum Az: B 14 AS/46/09 R die Betrachtung von Darlehen als Einkommen in einer Grundsatzentscheidung deutlich abgelehnt hat.
Im Wesentlichen führte das BSG aus, dass mit dem Abschluss eines privaten Darlehensvertrages z.B. für die Anschaffung einer neuen Waschmaschine gleichzeitig eine Gegenforderung des Darlehensgebers entsteht und deshalb nicht von Einkommen gesprochen werden kann. Allerdings hatte das Gericht einige formale Anforderungen an den Beweis des Darlehensvertrages gestellt.

Hier der Link zur Entscheidung des BSG:

http://juris.bundessozialgericht.de/cgi-bin/rechtsprechung/
document.py?Gericht=bsg&Art=en&Datum=2010-6&nr=11682&pos=16&anz=35

Der Gesetzgeber hat also innerhalb weniger Wochen eine für die Betroffenen günstige höchstrichterliche Rechtssprechung kassiert, in dem er eine zuvor bestehende Auslegungslücke geschlossen hat. In diesem Zusammenhang verdichtet sich der Eindruck, dass die Vertreter der Bundesagentur/der JobCenter/ der ARGEn dem Gesetzgeber den für sie günstigen Wortlaut direkt diktieren und dass die Betroffenen keinerlei  entsprechende Lobby haben.

Nach der eindeutigen Stellungnahme des BSG ist aber durchaus überprüfenswert, ob auch diese gesetzliche Regelung der Verfassung widerspricht.

(Übrigens könnte diese Regelung auch für den Darlehensanteil von BAföG – Leistungen eines Bedarfsgemeinschaftsmitglieds relevant sein.)

Nachtrag im Juni 2011:
Im Gesetzgebungsprozess haben sind dann doch noch die “Guten” durchgesetzt – offensichtlich erst im Bundesrat. Die Neuregelung des § 11 gültig ab dem 1. April 2011 erwähnt das Wort Darlehen nur noch im Satz 2 von § 11 Abs. 1 SGB II:  “Als Einkommen zu berücksichtigen sind auch Zuflüsse aus darlehensweise gewährten Sozialleistungen, soweit sie dem Lebensunterhalt dienen.”
Fraglich ist nun wiederum die Auslegung dieses Satzes, nämlich, ob er eine abschließende Regelung zur Anrechung von Darlehen als Einkommen enthält oder ob diese Regelung auf die Anrechnung von Darlehen, die nicht Teil von Sozialleistungen begrenzt ist und damit andere Darlehen als Einkommen berücksichtigen lässt.