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Bundesverfassungsgericht stärkt Recht von Hartz IV-Empfängern auf Beratungshilfe

Das Bundesverfassungsgericht (BVerfG) hat am 11. Mai 2009 (1 BvR 1517/08) der Verfassungsbeschwerde einer Hartz IV – Empfängerin gegen die Versagung der Beratungshilfe des Amtsgerichts (AG) Zwickau zur Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts im Widerspruchverfahren gegen die ARGE Zwickau stattgegeben.

Das AG hatte die Beratungshilfe v.a. unter Hinweis auf die vorrangige Möglichkeit der Inanspruchnahme einer kostenlosen Beratung durch die Mitarbeiter der ARGE Zwickau (in Berlin: JobCenter) versagt.

Das BVerfG führte aus, dass diese Versagung das Grundrecht der Beschwerdeführerin auf Rechtswahrnehmungsgleichheit (Art. 3 Abs.1 GG  i.V.m.  Art. 20 Abs. 1GG – Sozialstaatsprinzip – und Art. 20 Abs. 3 GG – Rechtsstaatsprinzip) verletze. Entgegen der Entscheidung des AG, so das BVerfG, könne es der Betroffenen nicht zugemutet werden, den Rat derselben Behörde in Anspruch zu nehmen, deren Entscheidung sie im Widerspruchsverfahren angreifen will. Selbst bei der organisatorisch und personell getrennten Bearbeitung durch die Widerspruchsstelle, besteht zumindest die Gefahr einer Befangenheit der Mitarbeiter. Eine wirklich unabhängige Beratung könne nur außerhalb der Behörde eingeholt werden. Durch die Möglichkeit der Inanspruchnahme eines Rechtsanwalts werde auch ein Beitrag zur Steigerung der Effektivität des Verwaltungsverfahrens geleistet, da unter Umständen ein weiterer Streit vor Gericht vermieden werde. Das BVerfG würdigte insbesondere auch die besondere Bedeutung des existenzsichernden Charakters des Alg II im Hinblick auf die notwendige Effektivität des Widerspruchsverfahrens. Außerdem wies es auf die bekanntermaßen hohe Widerspruchs- und Klagequote in SGB II-Verfahren hin sowie auf die recht große Anzahl der noch ausstehenden höchstrichterlichen Klärung neuer Rechtsfragen in diesem Rechtsgebiet. Das alles spräche für die Notwendigkeit der Gewährung der Beratungshilfe zur Sicherstellung einer unabhängigen effektiven Vertretung der Betroffenen. Im Übrigen sei das rein fiskalische (haushalterische) Argument der Gegenauffassung zur gebotenen Kostensenkung  wegen der zunehmenden Anträge auf Beratungshilfe kein hinreichender Rechtsfertigungsgrund für die Versagung von Beratungshilfe.

Hier der Link zur Entscheidung:
http://www.bundesverfassungsgericht.de/entscheidungen/
rk20090511_1bvr151708.html

Diese Entscheidung beendet nun hoffentlich weitgehend die Flut von lebensfremden Versagungen der Beratungshilfe in solchen Fällen mit dem oben dargestellten Argument durch eine Vielzahl von Amtsgerichten und Landgerichten in den letzten Jahren. Außerdem dürfte nun auch dem Gesetzgeber gegenüber eine deutliche verfassungsrechtliche Grenzlinie gegen die – von verschiedener Seite beabsichtigten -  weitere Einschränkung der Beratungshilfe markiert sein.