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Hartz IV: Keine aufschiebende Wirkung bei Widerspruch und Klage

Mit den Gesetzesänderungen ab Januar 2009 wurde auch die Regelung des § 39 SGB II konkretisiert, wonach trotz Widersprüchen und Klagen gegen Bescheide der Behörden keine aufschiebende Wirkung eintritt. Die Juristen bezeichnen dieses Phänomen ” sofortige Vollziehbarkeit ” von Verwaltungsakten per Gesetz.

Die wichtigsten und einschneidensten Fälle betreffen:

- Bescheide, die bisherige Leistungen aufheben, zurücknehmen, widerrufen oder herabsetzen

- Bescheide, die Leistungen oder Pflichten zur und bei der Eingliederung in Arbeit regeln

- Bescheide, in denen zur Meldung bei den Behörden aufgefordert wird.

Damit wurde nun den Behörden ausdrücklich Tür und Tor für willkürliches Handeln geöffnet. Denn bei der immernoch sehr hohen Quote von rechtswidrigen Bescheiden (über 50 % der vor den Sozialgerichten verhandelten Fälle) hat diese Regelung zur Folge, dass die Betroffenen die Rechtswidrigkeit zunächst hinnehmen und erst in sehr langwierigen Verfahren vor den Sozialgerichten ihr Recht erstreiten müssen. Bis dahin haben sie aber z. B. die Sanktionen zu ertragen oder werden z. B. wegen der Sanktionsandrohung in für sie völlig unsinnige Maßnahmen gezwungen.

Nach dieser konkretisierten Regelung gibt es kaum noch Bescheide zu Lasten der Betroffenen, die trotz Widerspruch und Klage nicht sofort wirken. Lediglich Erstattungsbescheide, also die konkreten Vollzugsakte von Aufhebungsbescheiden dürften bei Widerspruch und Klage nicht vollzogen werden können, so  jedenfalls die bisherige einhellige Rechtsprechung.

Ich halte diese Gesetzeskonkretsierung für skandalös, denn damit werden bisher gültige allgemeine Grundsätze des Verfahrensrechts in Sozialverfahren einseitig zu Lasten der Hilfebedürftigen für den Bereich des SGB II praktisch abgeschafft. Insbesondere wird diese Regelung der nachgewiesenen Fehlerquote in Bescheiden der JobCenter und Argen in keiner Weise gerecht. In der Praxis wird sich das noch mehr als bisher so auswirken, dass rechtswidrige Zustände von den Betroffenen häufig über Jahre hingenommen werden müssen, bis endlich irgendwann ein Sozialgericht Einhalt gebietet. Damit werden den Betroffenen teilweise erhebliche Beträge ihrer Existenzsicherung vorenthalten, was in einigen Fällen verfassungswidrig sein dürfte. Meiner Meinung nach sollen damit die Hilfebedürftigen  v. a. davon abgehalten werden durch Widerspruch und Klage ihre Rechte durchzusetzen. Denn die Motivation für rechtlichen Widerstand sinkt natürlich erheblich, wenn der Erfolg sich erst nach Monaten oder Jahren einstellen kann, die Betroffenen aber ihren aktuellen Bedarf nicht decken können.

Natürlich steht den Betroffenen grundsätzlich auch die Möglichkeit des Führens eines Eilverfahrens vor dem Sozialgericht zur gerichtlichen Anordnung der aufschiebenden Wirkung zur Verfügung. Allerdings ist die Durchsetzung von Ansprüchen in diesem besonderen Verfahren an Kriterien gebunden, die nicht in allen Fällen erfüllt werden können.